Die Mikrofinanz-Überschuldungskrise in Kambodscha führt zu einer Welle von Menschenrechtsverletzungen. Im Jahr 2020 lag die durchschnittliche Mikrokredithöhe bei 4.280 US-Dollar – der höchsten weltweit. Das Land zählt 2,8 Millionen Mikrokreditnehmer*innen, bei insgesamt 3,6 Millionen Haushalten.
Verzweifelte Kreditnehmer*innen stehen unter massivem Druck, die Darlehen zurückzuzahlen, auch, weil viele der Kredite mit Landtiteln der Kreditnehmer*innen besichert sind. Dieses Projekt spiegelt die Erfahrungen von 14 Gemeinden wieder. Klicken Sie auf die Karte, um mehr über die Gemeinden zu lesen, oder lesen sie, wer wir sind und warum wir dieses Projekt durchgeführt haben.
Nutzen Sie die Filter-Funktion, um mehr über die diversen Probleme der Gemeinden zu erfahren.
Filtern nach unethischen Verhaltensweisen der MFI-Mitarbeiter*innen
Aggressive Inkassopraktiken • Erzwungene Landverkäufe • Drohungen • Ermunterung zur Inanspruchnahme privater Kreditgeber*innen • Betrug
Filtern nach negativen Folgen von Mikrokrediten
Geld leihen bei privaten Kreditgeber*innen • Weniger essen • Verkauf von Besitz • Landverkäufe • Kinderarbeit • Migration
Filtern nach Gründen, sich Geld zu leihen
Rückzahlung anderer Kredite • Gesundheitsversorgung • Hausbau • Landwirtschaft • Schuldbildung der Kinder
Klicken Sie auf die in der Karte markierten Gemeinden, um die kompletten Profile zu lesen.
Anzahl der Familien
91
Beginn des Landkonflikts
2012
Anteil der Familien mit MFI-Schulden
95%
Durchschnittliche Kredithöhe
$5,000 USD
Einkommensquellen
Landwirtschaft • Viehzucht • Tagelohn • Forstwirtschaftliche Erzeugnisse (außer Holz; Non Timber Forest Products/NTFPs) • Migration
Die Gemeinde Sammaki Sangkae Pi Meanrith im Bezirk Chhaeb in der Provinz Preah Vihear ist eine ländliche Gemeinde, die ihr Einkommen aus der Landwirtschaft und dem Verkauf von NTFPs bezieht. Einige Familien haben Verwandte, die als Wanderarbeiter*innen in Thailand oder in Fabriken in Kambodscha arbeiten, um Geld zu verdienen.
Fünf Unternehmen, die mit dem in chinesischem Besitz befindlichen Zuckerproduzenten Rui Feng verbunden sind, erhielten 2011 eine 42.000 Hektar große Landkonzessionen (Economic Land Concession). Wälder wurden von der Firma gerodet und 110 Hektar Reisfelder beschlagnahmt, wobei jeder Haushalt der Gemeinde im Durchschnitt ein bis zwei Hektar verlor. Auch einige Bäche wurden zugeschüttet. Die Abholzung des Waldes durch das Unternehmen setzte die Gemeindemitglieder unter Druck, ebenfalls Land für die Landwirtschaft zu roden und den Besitz des Landes anzugeben. MFI-Kredite wurden häufig für Waldrodungen zur landwirtschaftlichen Nutzbarmachung von Land verwendet. Arbeiter des Unternehmens waren in gewaltsame Zusammenstöße mit Gemeindemitgliedern verwickelt und vier Dorfbewohner wurden verklagt, nachdem sie auf umstrittenem Land Reis angepflanzt hatten. Die nationalen Behörden haben es versäumt, die Gemeindemitglieder zu entschädigen oder ihnen Landtitel auszustellen. In letzter Zeit scheinen die Unternehmen abgezogen zu sein und es wird wieder Reis auf dem Konzessionsgebiet angebaut – dies ist ein Problem, da es den Preis für Reis nach unten treibt.
Stimmen aus der Gemeinde
Bekannte Mikrokreditgeber in der Gemeinde
Gründe, sich Geld zu leihen
Landwirtschaft • Landkauf • Gesundheitsversorgung • Hochzeit des Kindes • Rückzahlung anderer Kredite • Motorradkauf • Landrodung • Sonstige Haushaltsausgaben
Etwa 95 Prozent der Haushalte haben MFI-Schulden, wobei es sich bei den anderen fünf Prozent um ältere Menschen oder Menschen ohne Arbeit oder Land handelt. Die aufgenommenen Schulden der Dorfbewohner bei MFI stiegen, als ihre Einkommen und ihr Lebensunterhalt aufgrund des Landkonflikts sanken. Häufige Gründe für die Kreditaufnahme waren die Rodung von Wald für die Landwirtschaft, der Kauf von landwirtschaftlichen Materialien, die Gesundheitsversorgung, die Rückzahlung bestehender Schulden und andere Ausgaben. Etwa sieben der 86 Haushalte, die einen Kredit bei einer Mikrofinanzinstitution aufgenommen haben, haben bereits Land verkauft, um ihre Schulden zu begleichen. Der durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschärfte Einkommensmangel hat es der Gemeinde erschwert, ihre Schulden zu bedienen. Infolgedessen essen viele Gemeindemitglieder weniger, leihen sich Geld von anderen Quellen, verkaufen Land und Besitz oder wandern auf der Suche nach Arbeit aus. Niemand hatte bis Februar 2021 von Aufschiebungen oder Umstrukturierungen während der COVID-19-Pandemie gehört oder diese erhalten. Die Gemeindemitglieder verstehen auch, dass die Umstrukturierungsmöglichkeiten letztlich zu höheren Schulden für die Kreditnehmer*innen führen werden.
Unethisches Verhalten der MFI-Mitarbeiter*innen
Aggressive Kreditvergabepraktiken • Aggressive Inkassopraktiken • Ermutigung zur Inanspruchnahme privater Kreditgeber*innen • Einbehaltung von Landtiteln nach Tilgung
Negative Folgen von Mikrokrediten
Landverkäufe • Geld leihen bei MFI • Geld leihen bei privaten Kreditgeber*innen • Verkauf von Besitz • Weniger essen • Migration • Kinderarbeit
Mikrokreditanbieter und ihre internationalen Investoren, darunter viele der größten Entwicklungsbanken Europas und der USA, haben die moralische Verpflichtung, Menschenrechtsverletzungen anzusprechen und für angemessene Abhilfe und Wiedergutmachung zu sorgen. Den kambodschanischen Kreditnehmer*innen muss ein Recht auf Entschuldung gewährt werden, da sie ansonsten weiterhin schuldenbedingt mit Hunger, Kinderarbeit, Migration, erzwungenen Landverkäufen und vielen weiteren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sein werden, die im Rahmen dieses Projekts aufgezeigt wurden.
Equitable Cambodia (EC) und die Cambodian League for the Promotion and Defense of Human Rights (LICADHO) sind in Kambodscha registrierte Menschenrechtsorganisationen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den Stimmen von Gemeinden Gehör zu verschaffen und Menschenrechtsverletzungen durch private und öffentliche Akteure in Kambodscha aufzuzeigen.
Dieses Projekt basiert auf den Prinzipien der gemeindeorientierten Forschung (community-based research), bei der die Mitglieder der Gemeinde eine aktive Rolle bei der Produktion von Wissen spielen und als Mitforscher*innen agieren. Die Informationen wurden im Rahmen von Fokus-Gruppen-Diskussionen und Einzelinterviews mit Gemeindemitgliedern gesammelt. Alle Informationen in diesem Bericht stammen aus diesen Gesprächen mit Gemeindemitgliedern und wurden mit Vertreter*innen der Gemeinde verifiziert. Die Befunde bilden sicher nicht das Gesamtbild der Wirkungen von Mikrokrediten ab, aber sie geben die gelebten Erfahrungen der befragten Gemeindemitglieder genau wieder. Viele der dargestellten Probleme mit Mikrokrediten wurden bereits in früheren Untersuchungen und Berichten von Menschenrechtsorganisationen in Kambodscha aufgezeigt.
Viele Kambodschaner*innen versinken in Mikrokreditschulden, was zu drastischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land führt. Viele der überschuldeten Menschen leiden jedoch im Stillen. Um einen Gemeindevertreter zu zitieren, der an diesem Projekt teilgenommen hat: „Ich bin froh, dass unser Leid endlich öffentlich gemacht wird. Wir mussten es so lange im Verborgenen halten. Die Art und Weise, wie sie [die MFI] handeln, ist das Gegenteil von dem, was sie sagen. Die Verschuldung ist das größte Problem, mit dem die Gemeinden im ganzen Land konfrontiert sind.“
Debt Threats: A Quantitative Study of Microloan Borrowers in Cambodia’s Kampong Speu Province
Veröffentlicht im August 2023
Right to Relief: Indebted Land Communities Speak Out
Veröffentlicht im Juni 2021
Worked to Debt: Over-Indebtedness in Cambodia's Garment Sector
Veröffentlicht im Juni 2020
Driven Out: One Village's Experience with MFIs and Cross-Border Migration
Veröffentlicht im Mai 2020
Collateral Damage: Land Loss and Abuses in Cambodia's Microfinance Sector
Veröffentlicht im August 2019